Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
lieber Oberbürgermeister Uwe Skrzypek,
lieber Stadtkämmerer Herr Kern,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung,
werte Kolleginnen und Kollegen,


zum diesjährigen Haushaltsplan fällt mir eine Zeile aus Udo Lindenbergs Lied „Durch die schweren Zeiten“ ein, sie lautet folgendermaßen: „Es geht nicht immer gradeaus, manchmal geht es auch nach unten…“ Ich finde das trifft es ganz gut, wenn ich an die finanzielle Situation unserer Stadt denke, mit all ihren Pflichtaufgaben die zu erfüllen sind, ganz zu schweigen von den Wünschen für eine bessere Lebensqualität in unserer Stadt. Der Spielraum – sofern es überhaupt einen gibt – ist wirklich nicht besonders groß.

Ich möchte mich bei Oberbürgermeister Uwe Skrzypek und bei Stadtkämmerer Alexander Kern dafür bedanken, dass diese Analyse der finanziellen Situation der Stadt so offen kommuniziert wird. Jetzt kann niemand mehr sagen: Ich habe das nicht gewußt! Ich glaube wir sind uns alle darin einig:
Sparen – ja, aber wie und wo?
Sinnvoll nachhaltig investieren; damit verbunden ist die Frage: Was können wir uns
leisten und was nicht? Wo müssen wir unbedingt Schwerpunkte setzen?

Dies werden schmerzhafte Entscheidungen sein, weil die sicher notwendigen und erhofften Wünsche weitaus größer sind als die Mittel die uns derzeit zur Verfügung stehen. Wir werden hoffentlich gemeinsam und verantwortlich Entscheidungen treffen.

Ein wichtiger Punkt, der uns alle betrifft, ist die Energieversorgung. Der schreckliche Krieg in der Ukraine hat uns gezeigt, wie abhängig wir von der Lieferung fossiler Energieträger sind. Die Demonstrationen rund um Lützerath führten uns ganz deutlich vor Augen, dass wir turbomäßig umschwenken müssen: Weg von fossiler Energie, hin zu erneuerbaren Energiequellen wie Sonne, Wind, Erdwärme, Wasserstoff, etc. Wir können auf lokaler Ebene einiges dafür tun. Die vielen Dächer unserer Stadt bieten z.B. eine Möglichkeit der Stromerzeugung. Da darf uns auch der Denkmalschutz keine Steine in den Weg legen. Wir sind davon überzeugt, dass es gute gestalterische Lösungen gibt. Zusätzlich müssen wir mit
Photovoltaikanlagen und Windkraft in die Fläche gehen. Ein Hektar Photovoltaik liefert ungefähr 20 mal so viel Energie wie ein Hektar Mais. Ich will jetzt nicht das eine gegen das andere ausspielen. Beides hat seine Gründe und Berechtigungen. Aber sollte uns der Faktor 20 nicht zu denken geben?

Ganz wichtig dabei ist, die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig mit einzubeziehen und ihnen die Möglichkeit zu bieten auch finanziell davon zu profitieren. Ein gutes Beispiel dafür ist die Stadt Coesfeld in Nordrhein-Westfalen, die heute schon mehr Strom mit grüner Energie produziert als sie verbraucht.
Coesfeld hat damit die deutschen Langfristziele längst übertroffen! Und das ohne größere Konflikte oder gar Klagen und Gerichtsverhandlungen. Gewusst wie: Der Impuls für den dortigen Windpark kam von den Bauern vor Ort. Die Bevölkerung wurde frühzeitig mit eingebunden und hatte die Möglichkeit sich
finanziell zu beteiligen. Die Einbindung und Beteiligung der Bürgerschaft ebnet den Boden für die Akzeptanz solch großer Umstrukturierungsmaßnahmen. Die Stadt sollte im Rahmen ihrer Planungshoheit einen Suchlauf starten um Flächen zur Energieerzeugung auszuweisen.


Der Ausbau erneuerbarer Energien macht Vaihingen auch wirtschaftlich attraktiver.
Viele Betriebe siedeln sich heute schon da an, wo günstige Energie vorhanden ist, ein Trend der sich verstärken wird. Wir schaffen es hoffentlich so attraktiv zu werden dass sich Handwerksbetriebe und Betriebe bei denen Nachhaltigkeit Programm ist bei uns niederlassen, nicht zuletzt wegen zusätzlicher Gewerbesteuereinnahmen und Schaffung von Arbeitsplätzen. Komplizierte Eigentumsverhältnisse von
brachliegenden Industrieflächen sollten uns motivieren uns an einen runden Tisch zu setzen und in Verhandlungen einzutreten. Nicht nur erneuerbare Energien, auch der schonende Umgang mit Flächenverbrauch bringt uns dem 1,5 Grad Ziel von Paris ein Stück näher. Ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz!
Ein weiterer wichtiger Beitrag ist die Verkehrswende.
Durch die Enzauen darf vorerst keine Umfahrungsstrecke der B10 gebaut werden. Dies hat das Verwaltungsgericht zu Gunsten von Natur- und Artenschutz so entschieden. Doch es gab und es gibt andere Lösungen, Lärm und Abgase zu reduzieren. Eine klima- und menschenfreundliche Umstrukturierung unserer Mobilität enthält viele Maßnahmen, wie z.B. auch Geschwindigkeitsreduzierungen. Das sollte im gesamten Stadtgebiet mit allen Teilorten überprüft und umgesetzt werden. Vor allem für die lärmgeplagten Enzweihinger wäre das ein Fortschritt, so wie
regelmäßige polizeiliche Kontrollen des nächtlichen Schwerlastverkehrs auf der B10,
der von 22 Uhr bis 6 Uhr nur für Anlieger erlaubt ist.

Auch mit dem Ausbau der Radbahn und deren Verknüpfung mit dem Radwegenetz bringen wir auf lokaler Ebene die Verkehrswende ein Stückchen voran. Wenn die Radbahn durchgängig von Enzweihingen bis Kleinglattbach und optional nach Sersheim führt, dann ist ein großer Teil der Bevölkerung in idealer Weise auch an den Vaihinger Bahnhof angebunden. Wieso also nicht im Parkhaus ein Parkdeck für eine
sichere Unterstellung der Fahrräder reservieren?

Insgesamt sollte das Radwegenetz so ertüchtigt werden dass man gefahrlos zwischen den Ortsteilen und der Kernstadt pendeln kann. Finanziell wird das in nächster Zeit wohl eher schwierig werden, trotzdem sollte man gefährliche Stellen sicherer machen. Wir dürfen uns nicht scheuen uns in dieser Angelegenheit vom AGFK (das ist die Arbeitsgemeinschaft Fahrrad-und Fußgängerfreundlicher Kommunen in
Baden-Württemberg e.V.) beraten zu lassen, schließlich sind wir dort seit 2021 Mitglied.


Leider hat der Vaihinger Bahnhof in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung verloren. Wichtige Verbindungen wurden ersatzlos gestrichen, dies gilt es rückgängig zu machen. Unser Bahnhof muss wieder eine größere überregionale Bedeutung bekommen. Die Nutzung der Bahn und des ÖPNV tragen erheblich zur Entlastung unserer Straßen bei – ein bedeutender Schritt in Richtung Verkehrswende!
Wünschenswert ist auch, den Bahnhof besser an die Stadt anzubinden. Die Idee z.B. im ehemaligen Reisecenter ein Zentrum zu etablieren, für Jugendliche, junge Erwachsene und Menschen die einfach Lust am Tanzen haben, vielleicht in Verbindung mit einer Kleinkunstbühne oder einem Veranstaltungsort für Vorträge (den man per Bahn und Radweg günstig erreichen kann), ist sicher ungewöhnlich. Aber der Bahnhof wäre dann auch in den Abend- und Nachtstunden frequentiert was wiederum den Vandalismus eindämmt.

Mit Blick auf die Gartenschau: Könnte ein solches Zentrum so etwas wie eine
Verbindung zwischen den Ortsteilen herstellen?

Was auch immer mit dem Bahnhof geschieht, er ist ein wichtiger Impulsgeber für unsere Stadt! Dennoch wurde er in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt. Das muss sich ändern. Der Bahnhof muss zur Chefsache werden! Neben den wichtigen Themen wie Klimawandel, Energiewende, Verkehrswende usw.
wird der demografische Wandel eine große Herausforderung sein. Wie wollen wir unsere älteren Menschen versorgen? Dafür haben wir noch keine tragfähigen Konzepte, darüber müssen wir uns dringend Gedanken machen!
Wie viele ältere Menschen leben alleine in viel zu großen Gebäuden? Wo könnten Gebäude entstehen in denen sie eine kleine, barrierefreie Wohnung günstig erstehen könnten, um somit in ihren ehemaligen Häusern Wohnraum für junge Familien zu schaffen? Wichtig ist auch Möglichkeiten zu schaffen, dass alte Menschen in ihren jeweiligen Ortsteilen bleiben können. Ein Lösungsansatz könnten sogenannte Wohndörfer sein, gerne Alt und Jung zusammen. Das heißt wir müssen unbedingt über alternative Wohnformen wie z.B. Mehrgenerationenhäuser, Hoffnungshäuser, gemeinschaftliches Wohnen etc.
nachdenken. Auch bezahlbare Plätze für Tiny Häuser sowie Erbpacht sollten dabei berücksichtigt werden.

Gerade für junge Menschen und Familien aber auch für ältere Menschen bieten alternative Wohnformen eine Chance auf ein gutes, soziales Miteinander. Oft sind solche Konzepte auch umweltfreundlich, bezahlbar und nachhaltig. Als Kommune sollten wir solche Alternativen unterstützen und bei der Suche nach geeigneten Grundstücken behilflich sein. Ähnlich wie die Stadt Pforzheim das genossenschaftliche Gemeinschaftsprojekt „Alter Schlachthof Pforzheim“ unterstützt. Aber vielleicht eignet sich auch eine städtische Immobilie die man so umnutzen könnte? Positiver Nebeneffekt wäre, eine Entlastung der Stadtkasse! Eine weitere Entlastung ist die gezielte Förderung von Wald- und Naturkindergärten.
Auch wenn es nicht einfach ist, da viele Faktoren berücksichtigt werden müssen, glauben wir, dass es sich letztendlich lohnt. Zukünftige Generationen werden spielerisch an den richtigen Umgang mit der Natur herangeführt und wir Menschen lernen vielleicht wieder zu begreifen, dass wir Teil dieser Natur sind.


Ein wichtiger Aspekt in Zeiten des Klimawandels!

Eine bedeutende Rolle in der Entwicklung unserer Stadt nimmt das „Engelareal“ ein. Es ist für uns alle von immenser Wichtigkeit was dort entstehen wird, deshalb müssen wir den Fokus auf dieses sensible Gebiet richten. Im Rahmen des IBA-Bürgerdialogs hat Herr Haag vom Gestaltungsbeirat am 10. Juni 2021 dazu ausführlich Stellung bezogen und nochmals die Wichtigkeit dieses Areals für die Stadt betont. Das Ziel muss es sein, die Innenstadt zu stärken. Es sollte ein gemischt genutztes Quartier entstehen, welches von innovativer, in nachhaltiger Bauweise erstellter Architektur geprägt sein sollte. Das Wohnungsangebot sollte so gestaltet sein, dass für neue Wohn- und Lebenskonzepte Raum ist. Es sollten genügend Grünflächen eingeplant werden und eine Verbindung zwischen Radbahn und historischer Altstadt sollte geschaffen werden. Somit hätten wir ein Quartier der kurzen Wege.

Nach den Vorstellungen des jetzigen Investors soll dort aber großflächiger Einzelhandel platziert werden, der ein zusätzliches Verkehrsaufkommen in der Innenstadt von ca. 6000 Fahrzeugbewegungen am Tag nach sich zieht. Und an dieser Stelle möchte ich deutlich klarstellen, wir sind nicht gegen Investoren, diese sind wichtig, um uns voran zu bringen! Aber wir wünschen uns verantwortungsbewusste Investoren, für die auch das Gemeinwohl ein hoher Wert ist. Aus unserer Sicht darf es nicht sein, dass ein Investor nur sein Eigeninteresse nach Gewinnmaximierung verfolgt, ohne Rücksicht auf die Allgemeinheit. Wir fordern,
dass die Stadt und der Gemeinderat hier konsequent von ihrer Planungshoheit Gebrauch machen.


Wir Bürgerinnen und Bürger der Stadt Vaihingen weigern uns Planungen zu
akzeptieren, die zunehmend den Charme unserer Stadt zerstören.


Dass stadtbildprägende Gebäude, wie das alte Bahnhotel, so schnell wie möglich abgerissen werden, um einer fantasielosen Architektur Raum zu schaffen und das alles mit dem Argument der innerstädtischen Nachverdichtung. Dem vom Investor gewünschten Abriss der denkmalgeschützten Stallscheune auf dem „Engelareal“, können und wollen wir nicht zustimmen. Warum kommt niemand auf die Idee, diese alten Gebäude in die neu geplante Architektur mit einzubinden? Müssen es immer Flachdachklötze werden mit Ausnützung des letzten Quadratzentimeters für Wohnraum, der als exklusiv und hochpreisig angeboten wird? Selbstverständlich dürfen und müssen diese neu gebauten Komplexe eine vernünftige Rendite für die Investoren abwerfen, aber das darf doch nicht der einzige Maßstab sein! Von bezahlbaren und Sozialwohnungen spricht in Vaihingen schon lange kein Mensch mehr.


Wann spricht auch hier einmal der Gestaltungsbeirat im Klartext? Rendite ja, aber mit einer Planung und Realisierung die dem Namen „Stadtbildprägend“ im positiven Sinne entspricht. Gibt es für eines, der in den letzten Jahren entstandenen Gebäude, den Hauch einer Chance, dass sie jemals einen Architekturpreis bekommen würden? Haben wir Vaihinger das nicht verdient? Gute Architektur zieht auch Besucher und Tagestouristen von außerhalb an.

Generell ist für uns die Förderung des Tourismus eine wichtige Sache. Städtetouren und Tagesreisen werden immer beliebter, diesen Trend konnte man auf der CMT deutlich spüren. Bis 2029 zur Gartenschau muss sich noch einiges tun, angefangen von Stellplätzen für Wohnmobile bis hin zu Gastronomie und
Übernachtungsmöglichkeiten. Ist es nicht bezeichnend, dass für das positive Image, das Vaihingen in den letzten Jahren bekommen hat, vor allem auch engagierte Bürgerinnen und Bürger verantwortlich waren?
Der Sandkasten – eine Aktion der Bürgerschaft, die Neugestaltung des Enzufers mit zwei Plateaus – eine Initialaktion von zwei Bürgerinnen, die Belebung der Köpfwiesen, die Stadtführungen, Fair-Trade-Stadt, die Stocherkahnfahrten, die Stadtfeste…Dies sind doch alles Aktionen, die zeigen, wie wichtig den Bürgerinnen und Bürgern ihre Stadt ist.
Der Ausbau von Schloss Kaltenstein ist eine große Chance, auch wenn ich persönlich mit den Bauplänen nicht 100% ig einverstanden bin, so hoffe ich dennoch auf einen baldigen Baubeginn.
Insbesondere vor dem Hintergrund dass wir 2029 eine Gartenschau durchführen wollen. Wir sind uns sicher alle darin einig, dass die Gartenschau unsere Stadt voran bringen und wichtige Impulse setzen wird. Aus diesem Grund müssen wir sehr darauf achten, dass uns die Kosten nicht aus dem Ruder laufen.
Aus Mühlacker bekomme ich immer wieder zu hören, wie froh die Menschen dort sind, dass sie eine Gartenschau hatten, weil nachhaltige Infrastruktur geschaffen wurde, die die Stadt insgesamt aufgewertet hat. Ein wertvoller Nebeneffekt war auch, dass die Bürgerschaft dort stärker zusammengewachsen ist.
Wir glauben dass es uns auch in Vaihingen gelingen kann, die Ortsteile näher an die Kernstadt heranzuführen und wir eine gemeinsame Identität entwickeln. Zum Schluss möchte ich noch anmerken dass wir die Schwachen in unserer Gesellschaft nicht vergessen dürfen. Geflüchtete und obdachlose Menschen gehören zu dieser Gruppe. Wir sollten sie nicht dauerhaft auf einer ehemaligen Mülldeponie
unterbringen, sondern ernsthaft nach einem alternativen Standort suchen. Die sogenannten Hoffnungshäuser sollten Einzug in unsere Stadt halten! Warum nicht auf dem Gelände der Gartenschau?

Schließen möchte ich mit einer weiteren Zeile aus Udo Lindenbergs Lied:
„Durch die schweren Zeiten“, ich zitiere: „Denn es ist nie zu spät um nochmal durchzustarten, weil hinter all den schwarzen Wolken wieder gute Zeiten warten.“


Mit dieser optimistischen Haltung schaue ich in die Zukunft. Es ist Zeit AKTIV zu werden. Gemeinsam schaffen wir das! Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit! – Vielen Dank –

Ingeborg Braun-Frederick